Unser Immunsystem überprüft laufend wie ein Scanner am Flughafen, was in unseren Körper aufgenommen werden darf und was nicht. Dabei gibt es zwei Scannertypen: die angeborene und die erworbene Immunabwehr. Erstere übernimmt eher allgemeine Aufgaben. Letztere wird über die Jahre immer weiter ausgebildet und bildet Antikörper, die genau auf einen Stoff reagieren, so wie ein Suchhund bestimmte Drogen meldet. Und sie kann sich an bestimmte Angreifer erinnern und so bei einem erneuten Angriff noch schneller reagieren. Die beiden Scannertypen arbeiten eng zusammen. Genauso wie Flughafenangestellte brauchen sie aber auch regelmäßige Erholungsphasen und gute Nahrung, um ihre Arbeit vorschriftsmäßig erledigen zu können.
Wenn ein Scanner Eindringlinge als schädlich, aber harmlos oder bereits bekannt einstuft, bringt die Flughafenpolizei, die Abwehrzellen, sie schnell unter Kontrolle. Kommen die Schädlinge aber in Horden, oder sind sie besonders gefährlich und dazu noch unbekannt, lösen spezialisierte Zellen eine Entzündung aus. Das kann eine lokale Entzündung sein, eine schmerzhafte Rötung und Schwellung wie bei einem Bienenstich, oder Fieber. Nach erfolgreicher Schlacht gegen die Angreifer muss die Entzündung wieder abklingen, die unschädliche gemachten Schädlinge abtransportiert und das Gewebe regeneriert werden.
Gesteuert wird dieser wichtige Entzündungsprozess durch Makrophagen, die dazu Fettsäuren benötigen. Arachidonsäure (eine Omega-6-Fettsäure) fördert die Entzündung, die beiden Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) hemmen Entzündungen. Wenn die ausgelöste Entzündung nicht abklingt, kann es zu stillen Dauer-Entzündungen kommen. Das Schlimme an dieser Art der Entzündung ist, dass sie unsichtbar und meist symptomlos bleibt, und damit erst nach Jahren oder Jahrzehnten zu chronischen Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen führen kann. Die meisten Zivilisationserkrankungen werden durch solch stille Entzündungen beeinflusst: Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz, Depressionen, ADS und ADHS, Krebs, Allergien, Arterosklerose, nicht-alkoholische Fettleber, chronische Schmerzen, Rheuma, dermatologische Erkrankungen und viele mehr.
Omega-3-Fettsäuren maritimen Ursprungs sind also essenziell, das heißt, menschliches Leben kann ohne diese Nährstoffe auf Dauer nicht existieren. Jede Form der Alterung wird verlangsamt.
Hat sich eine Erkrankung allerdings schon eingenistet, können selbst hohe Dosen an Omega-3-Fettsäuren das nicht mehr rückgängig machen. Aber eine Verschlimmerung kann verhindert werden.
Zum einen sollten wir also darauf achten, nicht zuviele Omega-6-Fettsäuren durch die Nahrung aufzunehmen, zum anderen darauf, genügend Omega-3-Fettsäuren aus Meeresprodukten in unsere Mahlzeiten einzubauen, damit das richtige Verhältnis wieder hergestellt wird.
Besonders viele Omega-6-Fettsäuren finden sich in Sonnenblumenöl, industriell verarbeiteten Nahrungsmitteln, Fleisch, Wurst und Milchprodukten.
Hauptsächlich Omega-3-Fettsäuren aus Meeresprodukten schützen vor stillen Entzündungen. Die pflanzliche Alpha-Linolensäure (ALA), die in Lein-, Hanf-, Chia-, Walnuss- und Rapsöl vorkommt, ist eine Vorstufe von EPA und DHA. Unser Körper kann sie zwar in die wirksamen Fettsäuren umbauen, aber leider nur bis maximal 10%.
Fisch kann heutzutage allerdings durch die Schwermetallbelastung toxisch wirken, weshalb wir gereinigte Fischöl-Präparate oder Algenöle bevorzugen sollten. Kapseln sind zwar verführerisch, weil sie nach nichts schmecken, aber so können wir auch nicht schmecken, ob das Öl darin ranzig ist. Außerdem ist die Umhüllung unnötige Zutat.
Sollte die Möglichkeit einer Blutuntersuchung nicht gegeben sein, wird eine Menge von 2 g Omega-3-Fettsäuren pro Tag empfohlen, am besten zu einer Hauptmahlzeit. Das entspricht 100 g Hering, 300 g Makrele, 1 kg Fischstäbchen, 15 Fischölkapseln, einem Esslöffel Fisch- oder Krillöl oder einem Teelöffel Algenöl. Im Algenöl ist doppelt so viel EPA/DHA enthalten wie im Fischöl. Wichtig ist die Einnahme zur Hauptmahlzeit deshalb, weil die Fettverdauung bereits aktiv sein muss, damit das Öl optimal verstoffwechselt wird.
Dabei überwiegt beim Fischöl EPA, während beim Dorschleber- und Algenöl DHA dominiert. Viele Studien haben ergeben, dass die beiden Fettsäuren in ihrer Wirksamkeit auf stille Entzündungen fast gleichauf liegen. Wichtig ist, dass die tägliche Zufuhrmenge stimmt. Bei der Behandlung von Demenz allerdings und zur Verbesserung der Gehirnleistung von Kindern sollte DHA-lastiges Öl bevorzugt werden, also Algen- oder Dorschleberöl.
Blutuntersuchungen sind längst nicht alle standardisiert. Momentan kann man sich nur auf den HS-Omega-3-Index® verlassen, da nur diese Messungen strikt genormt sind und die Ergebnisse mit über 330 wissenschaftlichen Veröffentlichungen belegt sind. Der Index gibt an, wie hoch der Anteil an EPA und DHA an den Fettsäuren in der Erythrozytenmembran ist, also in der Haut der roten Blutkörperchen. Er sollte idealerweise bei 8-11% liegen.
Bereits bei Kinderwunsch unterstützen Omega-3-Fettsäuren die Fertilität. Während der Schwangerschaft können damit Komplikationen verhindert werden, außerdem Entwicklungsstörungen und Krankheitsanfälligkeit des Kindes.
Auch Sportler sollten besonders auf die Versorgung mit den essenziellen Fettsäuren achten: Zum einen bekommen sie nicht so leicht Muskelkater, zum anderen verbessern sie Koordinationsvermögen und Reaktionszeit und fallen nicht so leicht aus.
Abgesehen von der Ernährung fördert Übergewicht stille Entzündungen, weil Fettgewebe Entzündungsbotenstoffe freisetzt. Außerdem hemmt regelmäßige Bewegung Entzündungen.
Beispiele für Studien:
- Effects of Omega-3 Fatty Acids on Immune Cells (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31614433/)
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A randomized, crossover, head-to-head comparison of eicosapentaenoic acid and docosahexaenoic acid supplementation to reduce inflammation markers in men and women: the Comparing EPA to DHA (ComparED) Study (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27281302/)
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Inflammatory gene expression in whole blood cells after EPA vs. DHA supplementation: Results from the ComparED study (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0021915017300278)
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A prospective study of polyunsaturated fatty acid levels in blood and prostate cancer risk (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17585059/)
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Ratio of n-3/n-6 PUFAs and risk of breast cancer: a meta-analysis of 274135 adult females from 11 independent prospective studies (https://bmccancer.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2407-14-105)
Bücher:
- Effects of EPA and DHA on blood pressure and inflammatory factors: a meta-analysis of randomized controlled trials (https://ur.booksc.eu/book/71244429/cae15f)
- Dr. Volker Schmiedel, „Omega-3 – Öl des Lebens“, Lenzburg: FONA; 2017
- Dr. Volker Schmiedel, „Nährstofftherapie“, 4. Auflage Stuttgart: Thieme, 2019
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Prof. Dr. Clemens von Schacky, „Omega-3 Fettsäuren und kardiovaskuläre Erkrankungen“, 1. Auflage Bremen UNI-MED Verlag AG, 2012